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Ausnahmevereinbarung für grenzüberschreitende Telearbeit (Homeoffice)

Seit 1. Juli 2023 gilt eine neue Regelung für grenzüberschreitende Telearbeit.

Telearbeit bzw. Homeoffice hat sich seit Beginn der Corona-Pandemie in vielen Arbeitsverhältnissen zur Normalität entwickelt. Am 30. Juni 2023 endete die anfänglich aufgrund der COVID-19-Pandemie beschlossene Übergangsphase bezüglich Aufhebung der Einschränkungen hinsichtlich grenzüberschreitender Telearbeit. Bis zu diesem Zeitpunkt galt für Grenzgänger/innen im Homeoffice weiterhin liechtensteinisches Sozialversicherungsrecht, selbst wenn sie ihre Tätigkeit in Form von Telearbeit unabhängig davon in welchem Umfang in ihrem Wohnstaat (EU/EFTA) verrichteten. Im Interesse der Arbeitergeber/innen und Arbeitnehmer/innen wurde für die Zeit nach Ende der Übergangsphase ab 1. Juli 2023 auf EU-/EFTA-Ebene eine multilaterale Rahmenvereinbarung in Bezug auf grenzüberschreitende Telearbeit ausverhandelt, nach welcher es bei Telearbeit im Wohnstaat bis zu einem Ausmass von weniger als 50% zu keinem Zuständigkeitswechsel kommt. Die Vereinbarung wurde für fünf Jahre abgeschlossen und verlängert sich einmalig um weitere fünf Jahre.

Grundsätzlich bestimmt die VO (EG) 883/04 für jeden Sachverhalt einer grenzüberschreitenden Erwerbstätigkeit, welcher Mitgliedstaat für die Durchführung der Sozialversicherung zuständig ist. Es soll stets nur ein Staat zuständig sein, sodass unter anderem nur in einem Staat Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten sind.

Im Hinblick auf das anwendbare Sozialversicherungsrecht ist der physische Arbeitsort ein entscheidendes Kriterium und kann die Ausübung von Telearbeit vom Wohnstaat aus zu einem Wechsel des Sozialversicherungsrechts führen, wenn eine Person nicht im Erwerbsstaat wohnt. Dies wäre zum Beispiel dann der Fall, wenn die (Tele-)Arbeit im Wohnstaat einen Anteil von 25% oder mehr ausmacht. Durch das multilaterale Rahmenvereinbarung im Bereich der Sozialversicherungen wird es bei Telearbeit unter 50% in bestimmten Staaten auch in Zukunft zu keinem Zuständigkeitswechsel kommen.

Gemäss der abgeschlossenen multilateralen Rahmenvereinbarung bleibt die Zuständigkeit für die Sozialversicherung im Sitzstaat der Arbeitgeber/innen dann bestehen, wenn Arbeitnehmer/innen regelmässig für

  • einen oder mehrere Arbeitgeber/innen im selben Erwerbsstaat,
  • unselbständig,
  • unter Verwendung von Informationstechnologie,
  • weniger als 50% der Arbeitszeit,
  • im Wohnstaat

Telearbeit verrichten, welche sie ansonsten am Sitz des Arbeitgebers / der Arbeitgeberin verrichten würden.

Die IT-Verbindung ist zwar obligatorische Voraussetzung für die Anwendbarkeit der multilateralen Rahmenvereinbarung, diese muss allerdings nicht dauerhaft während der gesamten Arbeitszeit bestehen.

Die betroffene Person darf in keinem anderen Staat (mit Ausnahme des Erwerbstaates) einer weiteren Erwerbstätigkeit nachgehen, unabhängig davon, wie geringfügig diese auch sein möge.

Gelegentliche, spontane Geschäftsreisen sind für die Anwendung der multilateralen Rahmenvereinbarung unbeachtlich. Für sie sind jeweils im Rahmen von Entsendungen nach Artikel 12 Absatz 1 VO (EG) 883/04 die A1-Bescheinigungen bei der AHV-Anstalt zu beantragen. Sind solche Arbeiten jedoch regelmässiger und gewöhnlicher Bestandteil des Arbeitsverhältnisses, kommt grundsätzlich die multilaterale Rahmenvereinbarung nicht zur Anwendung, ausser die regelmässigen Geschäftsreisen würden in den Wohnstaat erfolgen.

Auf selbständige Personen ist die multilaterale Rahmenvereinbarung nicht anzuwenden.

Nicht umfasst sind auch Sachverhalte, bei welchen Personen neben der Telearbeit im Wohnstaat andere Arbeiten, wenn auch für denselben (ausländischen) Arbeitgeber verrichten.

Die multilaterale Rahmenvereinbarung ist nur auf Konstellationen anwendbar, die zwei Staaten betreffen, welche diese Vereinbarung unterfertigt haben und auf Personen, welche den EU-Koordinierungsregeln unterworfen sind. Personen, auf welche schon bisher diese Koordinierungsregeln nicht anwendbar waren, können auch nicht in den Genuss dieser multilateralen Rahmenvereinbarung kommen (z.B.: EU-Staatsbürger mit Wohnsitz in der Schweiz und Arbeitsort in Liechtenstein oder Schweizer Staatsbürger mit Wohnsitz in Deutschland und Arbeitsort in Liechtenstein).

Der aktuelle Stand der unterfertigten multilateralen Rahmenvereinbarungen bzw. teilnehmenden Staaten ist einzusehen unter EU Cross-border telework in the EU | Federal Public Service - Social Security (belgium.be).

Die multilaterale Rahmenvereinbarung erlaubt eine Telearbeit im Wohnsitzstaat unter den genannten Voraussetzungen von "weniger als 50% der Arbeitszeit".

Über welchen Zeitraum die "weniger als 50%" zu berechnen sind, ist in der multilateralen Rahmenvereinbarung nicht geregelt und derzeit noch Gegenstand von Diskussionen unter den Unterzeichnerstaaten. Es wird davon ausgegangen, dass in Anlehnung an die VO (EG) Nr. 987/09 ein Durchrechnungszeitraum von 12 Monaten herangezogen wird.

Die multilaterale Rahmenvereinbarung tritt am 1. Jul i2023 in Kraft. Ein Antrag zu seiner Inanspruchnahme kann somit erst ab diesem Datum gestellt werden.

Bei Anträgen, die bis spätestens Ende Juni 2024 eingereicht werden, kann das A1-Formular, mit welchem die Unterstellung unter das Liechtensteinische Sozialversicherungsrecht bestätigt wird, rückwirkend auf 1. Juli 2023 ausgestellt werden, wenn durchgehend während dieser Zeit in Liechtenstein Sozialversicherungsbeiträge bezahlt wurden.

Bei Antragstellung nach dem 30. Juni 2024 kann eine Bestätigung unter derselben Voraussetzung der durchgängigen Beitragszahlung nur mehr drei Monate rückwirkend ausgestellt werden.

Die multilaterale Rahmenvereinbarung wird auf einzelne Arbeitsverhältnisse nur dann angewandt, wenn dies Arbeitgeber/in oder Arbeitnehmer/in beantragen, wobei beide mit der Antragstellung einverstanden sein müssen und diese im Interesse des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin gelegen ist, was in der Regel der Fall sein wird.

Das Online-Formular dafür steht ab 1. Juli 2023 hier zur Verfügung.

Ein entsprechender Antrag ist nur notwendig, wenn der Anteil der Telearbeit im Wohnstaat zwischen 25% und weniger als 50% der Gesamtarbeitszeit beträgt. Für grenzüberschreitende Telearbeit bis 25% ist wie vor den Ausnahmeregelungen während der Corona-Pandemie ein Antrag auf Ausstellung eines A1-Formulars an die dafür zuständige Stelle (die AHV-IV-FAK Anstalten für Personen mit Wohnsitz in Liechtenstein, die im Geltungsbereich der EU-Koordinierungsregeln arbeiten; ansonsten die jeweils zuständige Stelle des Wohnsitzstaates) zu stellen, selbst wenn der Wohnstaat die multilaterale Rahmenvereinbarung Telearbeit ebenfalls unterzeichnet hat.

Bei positiver Erledigung des Antrags erhalten Antragstellende und allenfalls betroffene Person ein Formular A1. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um die Bestätigung, dass auf den betroffenen Arbeitnehmer/die betroffene Arbeitnehmerin Liechtensteinisches Sozialversicherungsrecht anzuwenden ist.

Für eine Person wird eine Ausnahmevereinbarung jeweils für maximal drei Jahre abgeschlossen, wobei Verlängerungen auf erneuten Antrag ausgestellt werden.

Die multilaterale Rahmenvereinbarung regelt nur die sozialversicherungsrechtliche Unterstellung einer Person. Grenzüberschreitende Tätigkeiten können allerdings auch steuerrechtliche Auswirkungen haben. Diese werden von dieser multilateralen Rahmenvereinbarung nicht umfasst.

Ansprechsperson